Eine futuristische Illustration zeigt eine geschwungene, leuchtende Straße, die durch eine virtuelle Landschaft führt. Die Straße ist in Neonfarben wie Pink, Blau und Gelb beleuchtet und mit Symbolen und digitalen Markierungen versehen. Auf der Straße gehen Menschen, teils in moderner Kleidung, teils als holografische Figuren dargestellt. Im Hintergrund sind digitale Displays und Hologramme zu sehen, die Daten, Grafiken und futuristische Interfaces darstellen. Die Umgebung ist dunkel und erinnert an eine Stadt bei Nacht, wobei die leuchtenden Farben der Straße und Hologramme im Kontrast zur Dunkelheit stehen. Das Bild vermittelt eine Vision von Technologie und menschlicher Interaktion in einer digitalen Zukunft.

Berufliche Orientierung für Jugendliche in prekären Lebenswelten mit Bezug zur SINUS-Jugendstudie 2024


Lesezeit: ca. 5 Minuten – Wörter: 1.257

Die berufliche Orientierung stellt einen entscheidenden Schritt im Leben junger Menschen dar. Insbesondere in einer komplexen und sich verändernden Welt sind Lehrkräfte und Bildungsakteure gefragt, Jugendliche auf diesem Weg gezielt zu unterstützen. Die SINUS-Jugendstudie 2024 bietet wertvolle Einblicke in die Lebenswelten von 14- bis 17-Jährigen in Deutschland und zeigt, welche Faktoren die berufliche Orientierung besonders beeinflussen – unter anderem bei Jugendlichen aus prekären Familienverhältnissen, auf welche hier ein besonderes Augenmerk gelegt werden soll. Dabei werden wir in diesem Artikel die wichtigsten Erkenntnisse der SINUS-Jugendstudie 2024 zusammenfassen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte zur beruflichen Orientierung geben.

Vorstellung der SINUS-Jugendstudie 2024

Die SINUS-Jugendstudie untersucht seit 2008 im Vierjahresrhythmus die Lebenswelten von Jugendlichen in Deutschland. Ziel der Studie „Wie ticken Jugendliche? 2024“ ist es, die Werte, Interessen und Einstellungen der 14- bis 17-Jährigen zu erfassen und die soziokulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Lebenswelten herauszuarbeiten.

Dabei werden die Jugendlichen in sieben unterschiedliche Lebenswelten eingeteilt, die verschiedene soziale Milieus und Lebensstile repräsentieren. Ein besonderer Fokus liegt für uns auf Jugendlichen in prekären Verhältnissen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Jugendlichen trotz vielfältiger Krisen – wie dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, Inflation und Klimakrise – einen gedämpften Optimismus bewahren. Gleichzeitig nehmen sie strukturelle Ungleichheiten, Geschlechterstereotype und mangelnde Chancengleichheit als belastende Faktoren wahr. Diese Aspekte spiegeln sich besonders bei Jugendlichen aus prekären Lebenswelten wider, die vor großen Herausforderungen stehen, sei es im schulischen Kontext oder bei der beruflichen Orientierung. 

Viele dieser Jugendlichen erleben die gesellschaftlichen Krisen intensiver, da ihre sozialen und wirtschaftlichen Umstände ihnen oft weniger Stabilität bieten. Besonders stark ausgeprägt sind die Wahrnehmungen von Ungleichheit im Bildungssystem sowie die daraus resultierenden Resignationstendenzen. Diese Jugendlichen haben seltener positive Rollenvorbilder und weniger Zugang zu Ressourcen, die sie für ihre berufliche Entwicklung benötigen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass viele von ihnen eine bemerkenswerte Resilienz aufweisen, die sich unter anderem in einem trotzigen Optimismus äußert, mit dem sie versuchen, ihre Situation zu verbessern. Dennoch wird deutlich, dass Unterstützung durch externe Akteure – wie Lehrkräfte und Bildungsinstitutionen – unerlässlich ist, um diesen Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen und ihre Chancen zu verbessern.

Rollenbilder und ihre Auswirkungen auf die berufliche Orientierung

Die SINUS-Jugendstudie 2024 verdeutlicht, dass fast alle Jugendlichen das Fortbestehen von Geschlechterstereotypen wahrnehmen. Diese Rollenzuschreibungen sind tief in den Köpfen der Jugendlichen verankert und variieren je nach Geschlecht – etwa die Vorstellung des „starken Mannes“ oder der „fürsorglichen Frau“. Besonders in bildungsfernen Lebenswelten, wie bei den „Prekären“ und „Konsum-Materialisten“, fehlen differenzierte Auseinandersetzungen mit Geschlechterrollen, und traditionelle Klischees werden oft reproduziert.

Diese Stereotype können die Berufswahl erheblich einschränken. Jugendliche neigen dazu, Berufe zu wählen, die den traditionellen Rollenbildern entsprechen, und übersehen dabei möglicherweise andere Karrieremöglichkeiten, die besser zu ihren individuellen Interessen und Fähigkeiten passen. Lehrkräfte sollten daher Unterrichtseinheiten und Workshops anbieten, die Geschlechterstereotype thematisieren und kritisch hinterfragen. Diese Sensibilisierung fördert ein Bewusstsein für die Vielfalt der Berufswelt und ermutigt Jugendliche, unkonventionelle Berufswege in Betracht zu ziehen. Durch die Vorstellung von Berufstätigen, die in „untypischen“ Rollen arbeiten (wie weibliche Ingenieurinnen oder männliche Erzieher), können die Jugendlichen inspirierende Vorbilder kennenlernen und ihr Berufswahlspektrum erweitern.

Der Lernort Schule als Schlüssel zur Chancengleichheit

Die SINUS-Jugendstudie zeigt zudem, dass zwei Drittel der befragten Jugendlichen glauben, dass es in Deutschland keine gleichen Bildungschancen für alle gibt. Besonders Jugendliche aus prekären Verhältnissen fühlen sich benachteiligt. Sie begründen dies mit mangelnder familiärer Unterstützung, Einkommensungleichheit und einer unterschiedlichen Behandlung durch Lehrkräfte.

Diese ungleichen Bildungschancen führen oft zu einem Gefühl der Resignation. Wenn Jugendliche das Gefühl haben, dass ihnen aufgrund ihrer sozialen Herkunft weniger Möglichkeiten offenstehen, sinkt die Motivation, sich intensiv mit der eigenen beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. Lehrkräfte können hier durch individuelle Förderung entgegenwirken. Sie sollten gezielt auf die Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler eingehen, um ihre Potenziale bestmöglich zu fördern. Persönliche Beratungsgespräche und individuelle Lernpläne können dazu beitragen, spezifische Herausforderungen zu identifizieren und zu bewältigen. 

Zudem sollten Lehrkräfte Jugendliche über alle verfügbaren Bildungs- und Berufswege informieren, inklusive Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote. Transparente Informationen helfen, Informationsdefizite abzubauen und Perspektiven zu schaffen.

Spezifische Herausforderungen für Jugendliche in prekären Lebenswelten

Die Studie verdeutlicht, dass Schulabsentismus bei Jugendlichen in prekären Lebenslagen weitverbreitet ist. Viele dieser Jugendlichen berichten zudem von Versagensängsten und einem Gefühl der Überforderung, das sie an ihrer schulischen Leistungsfähigkeit zweifeln lässt. Besonders die fehlende Unterstützung aus dem familiären Umfeld und der eingeschränkte Zugang zu außerschulischen Förderangeboten verstärken diese Problemlagen.

Lehrkräfte sollten bei Anzeichen von Überforderung oder Schulabsentismus frühzeitig intervenieren und das Gespräch mit den betroffenen Jugendlichen suchen. Es ist entscheidend, individuelle Unterstützung anzubieten und gezielt auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzugehen. Angebote wie Nachhilfe, Lernwerkstätten oder psychologische Beratung können helfen, Herausforderungen zu bewältigen. Durch die Kooperation mit sozialen Einrichtungen, Vereinen oder Mentoring-Programmen kann zudem ein Unterstützungsnetzwerk geschaffen werden, das Jugendlichen auch außerhalb der Schule zur Seite steht.

Bedeutung von Vorbildern und positiver Unterstützung

Die Jugendstudie hebt hervor, dass für viele Jugendliche Familienmitglieder, insbesondere die Mutter, die wichtigsten Vorbilder sind. Dies zeigt die zentrale Rolle von positiven Bezugspersonen für die Entwicklung und berufliche Orientierung der Jugendlichen. Für Jugendliche, denen solche positiven Vorbilder im persönlichen Umfeld fehlen, ist eine Unterstützung von außen umso wichtiger, um Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und berufliche Ziele zu formulieren.

Lehrkräfte sollten Mentoring-Programme ins Leben rufen, bei denen ältere Schülerinnen und Schüler oder externe Mentorinnen und Mentoren den Jugendlichen beratend zur Seite stehen. Diese Programme können dabei helfen, fehlende Vorbilder zu ersetzen und jungen Menschen Orientierung zu bieten. Mentoring-Programme können auch durch umliegende Betriebe als Kooperation eingeführt werden. Durch eine mögliche Einbindung in berufliche Abläufe und Strukturen kann zudem ein Praxisbezug und eine berufliche Orientierung stattfinden. Zudem sollten Lehrkräfte stets darauf bedacht sein, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. Durch positive Rückmeldungen, das Hervorheben von Stärken und das Ermöglichen von Erfolgserlebnissen im schulischen Kontext können Jugendliche ermutigt werden, sich neue berufliche Ziele zu setzen und diese selbstbewusst zu verfolgen.

Bedeutung der Lebenswelten für die berufliche Orientierung

Ebenfalls ist mit Hilfe der Studie zu sehen, dass die jugendliche Generation in ihren Werten und Lebensstilen sehr heterogen ist. Besonders Jugendliche aus prekären Lebenswelten haben andere Bedürfnisse und Herausforderungen als solche aus stabileren sozialen Verhältnissen. Ein standardisiertes Vorgehen bei der beruflichen Orientierung wird diesen unterschiedlichen Bedürfnissen nicht gerecht.

Lehrkräfte sollten sich deshalb bemühen, die individuellen Lebensumstände der Jugendlichen besser zu verstehen. Nur so ist es möglich, eine passgenaue Unterstützung bei der Berufswahl zu bieten. Dabei ist es auch wichtig, kulturelle Unterschiede und spezifische Lebenslagen zu berücksichtigen, um Vertrauen aufzubauen und effektive Hilfe zu leisten. Die berufliche Orientierung muss individualisiert durchgeführt werden, um den unterschiedlichen Lebenswelten der Jugendlichen gerecht zu werden.

Fazit

Die SINUS-Jugendstudie 2024 liefert wertvolle Erkenntnisse über die vielfältigen Lebenswelten von Jugendlichen und die Herausforderungen, die sie bei der beruflichen Orientierung bewältigen müssen. Besonders Jugendliche aus prekären Familienverhältnissen benötigen gezielte Unterstützung, um ihre Potenziale voll ausschöpfen zu können.

Lehrkräfte und Bildungsakteure haben eine Schlüsselrolle dabei, diesen Jugendlichen zur Seite zu stehen. Die SINUS-Jugendstudie zeigt, dass individuelle Betreuung und gezielte Förderung besonders wichtig sind, um benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive zu bieten. Durch Sensibilisierung für Geschlechterrollen, individuelle Förderung, den Aufbau von Unterstützungsnetzwerken und kulturelle Sensibilität können Lehrkräfte entscheidend zur Chancengleichheit beitragen und die berufliche Orientierung positiv beeinflussen. 

Diese Art der Betreuung sollte sich stets an den individuellen Bedürfnissen und Potenzialen der Jugendlichen orientieren, um gezielt Defizite auszugleichen und vorhandene Stärken zu fördern. Eine personalisierte Beratung ermöglicht es, spezifische Barrieren zu überwinden und den Jugendlichen die passenden Wege in die Berufswelt aufzuzeigen. Lehrkräfte sollten daher verstärkt auf individuelle Begleitprozesse setzen, um jedem Jugendlichen eine realistische Chance auf einen erfolgreichen Einstieg in die Berufswelt zu geben.

Disskusionsanstoß

  • Welche konkreten Ansätze nutzt du bereits, um benachteiligte Jugendliche bei der beruflichen Orientierung zu unterstützen?

  • Welche weiteren Maßnahmen wären aus deiner Sicht notwendig, um Geschlechterstereotype im Berufswahlprozess effektiv zu durchbrechen?

  • Welche Strategien haben sich bei dir als besonders wirksam erwiesen, um die Motivation von Jugendlichen aus prekären Lebenswelten zu stärken?
Quellen

SINUS-Institut (2024). Wie ticken Jugendliche? 2024: Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Eine SINUS-Studie im Auftrag von: Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, DFL Stiftung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. ISBN: 978-3-7425-1133-1.

 

Kultusministerkonferenz (2013). Empfehlung zur Optimierung und Vereinheitlichung der schulischen Angebote im Übergangssystem „Lebenschancen eröffnen – Qualifikationspotenziale ausschöpfen – Übergänge gestalten“. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2013.

 

Kultusministerkonferenz (2017). Empfehlung zur Beruflichen Orientierung an Schulen. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.12.2017.

 

Bertelsmann Stiftung, SCHULEWIRTSCHAFT Deutschland, MTO Psychologische Forschung und Beratung GmbH (Hrsg.) (2024). Leitfaden Berufliche Orientierung: Praxishandbuch zur qualitätszentrierten Ausbildungs- und Studienorientierung an Schulen. Vollständig überarbeitete Neuauflage. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen