as Bild zeigt eine futuristische, surreal anmutende Szene in leuchtenden Neonfarben. Im Vordergrund kniet eine Person am Boden und fügt bunte Puzzleteile in einen Weg ein, der sich perspektivisch in die Ferne zieht. Die Person trägt dunkle Kleidung, eine gelbe Augenbinde und eine futuristische, violett schimmernde Maske. Neben ihr steht ein Korb voller weiterer Puzzleteile. Der Weg aus Puzzleteilen führt in gerader Linie auf eine riesige, leuchtende Kugel zu, die von einem geometrischen, gitterartigen Muster überzogen ist. Diese Kugel strahlt kräftige Blau-, Violett- und Pinktöne aus und steht vor einem bunten, fantasievollen Himmel im Sonnenuntergang. Links und rechts des Weges blühen bunte Wiesen voller Blumen, eingebettet in sanfte Hügellandschaften. Der Stil ist digital, hyperrealistisch und stark farbgesättigt, fast wie eine Mischung aus Science-Fiction-Illustration und Fantasy-Cover.

Denn sie wissen nicht, was Lernen bedeutet… „da müssen wir ran!“


Lesezeit: ca. 10 Minuten – Wörter: 2.535

Ich höre den Podcast Bildungstaxi von Marcel Spitau und Ralf Appelt schon seit Langem und schätze vor allem den Bezug zu meinen beruflichen Themen, da die beiden auch im Kontext der beruflichen Bildung unterwegs sind. Zudem sind sie aus Schleswig-Holstein, sodass auch ein regionaler Anker hinzu kommt. Ihre Erzählweisen und das gemeinsame Reflektieren aktueller Bildungsthemen inspirieren mich und regen mich zudem regelmäßig zu Antworten und Interaktionen an.

In der jüngsten Folge „Künstliche Intelligenz, Moodle und Obsidian“ hat mich eine Sequenz besonders bewegt. Dort schildert Ralf, wie ein Schüler sämtliche Aufgaben mithilfe von KI gelöst hat – und doch keine Erklärung dafür geben konnte, warum die Antworten korrekt waren.

Ralf: „Also ich hatte neulich zum Beispiel einen Schüler, die haben die Aufgabe bekommen, Text zu lesen und da wichtige Daten zu entnehmen und dazu einen Zeitstrahl zu erstellen. Und einige Schüler haben sich dran gemacht, das zu machen. Und ein anderer Schüler hat gesagt so, hier, ich bin schon fertig. Und ich so, ja, haha, witzig. Da habe ich ja schon Verdacht, wie das geschehen ist. Und die Grafik sah wirklich hervorragend aus, hat auch alles Relevante enthalten. Und da habe ich gesagt, ja. Wie sind Sie denn vorgegangen, um diese Grafik zu erstellen?“

 

Schüler: „So digital.“

 

Ralf: „Ja – und mit welchem Tool haben Sie das gemacht? Weil, also ich hatte ein Tool vorgeschlagen und das hat er offenbar nicht genutzt, weil das konnte gar nicht so schöne Grafiken erstellen. Und naja, es kam dann raus, ja, mit KI, und der hat halt alle Aufgaben, die wir an dem Tag bearbeitet haben, mit KI bearbeitet und hat letztlich aber nicht sagen können, warum, wieso, weshalb da welche Antwort richtig ist. Und das war sozusagen genau dieser Bot-Papagei: ‚Ja, hier, ich habe die Aufgaben fertig.‘“

 

Ralf: „Ich habe den Eindruck, dass das so ein bisschen schon fast reflexartig passiert: Lehrer gibt eine Aufgabe und ich erledige die mit KI, weil dann bin ich schnell fertig und kann sagen, ‚hier, ich habe es gemacht.‘ Und das ist, glaube ich, so eine Größenordnung, die problematisch wird, wenn man dann sagt, ‚ah ja, hier die Aufgabe – Punkt 1: du hast sie gelöst, Punkt 2: die ist inhaltlich auch noch richtig‘ – was zumindest bei einfachen Aufgaben ja die meisten KIs mittlerweile ganz gut hinbekommen.“

 

Marcel: „Richtig.“

 

Ralf: „Und dann ist der Schüler auch happy, weil er wahrscheinlich eine gute Note kriegt.“

 

Marcel: „Richtig.“

Im Anschluss (20:59–21:52) diskutieren Ralf und Marcel, dass Schülerinnen und Schüler KI-Hilfsmittel deutlich kritischer einsetzen, sobald es nicht mehr um Noten, sondern um lebenspraktische oder sicherheitsrelevante Fragestellungen geht. Ralf bringt Beispiele wie den eigenen Autoumbau oder eine Krankheitsdiagnose: Bei solchen Themen würden sie die KI-Ergebnisse nicht einfach übernehmen, sondern sorgfältiger überprüfen oder gleich ein Fachbuch zur Hand nehmen. Marcel hakt nach, ob die Lernenden dieses differenzierte Vorgehen tatsächlich praktizieren, was Ralf verneint. Er betont daraufhin, dass es gerade Aufgabe der Lehrkräfte sei, den Schülerinnen und Schülern eine angemessene Medienkritik und einen reflektierten Umgang mit KI beizubringen.

Wenn „Lernen“ nur noch Abarbeiten bedeutet

Für mich stand eines fest: Diese Szene zeigt, dass es vielen Schüler:innen heute nur noch darum geht, Aufgaben abzuarbeiten. Diese kurze Episode wirft eine viel grundlegendere Frage auf: Wie gut verstehen unsere Schüler:innen wirklich, was Lernen bedeutet? Da mir dieses Verhalten immer mehr in meinem eigenen beruflichen Alltag als Lehrkraft auffällt, möchte ich auf diesen Abschnitt mit einem eigenen Blogbeitrag antworten. 

In vielen Klassen scheint das Wort „Lernen“ heute ein reines Synonym für punktuelles Abarbeiten von Aufgaben zu sein. Der Schüler, der seine Aufgaben per Knopfdruck durch KI erledigt, bestätigt diesen Mythos: Er hakt ab, was verlangt wird, ohne den substanziellen Lernzweck zu reflektieren. In diesem Sinne verkommt jede Lernaufgabe zu einem ritualisierten Vollzug, der zwar Ergebnisse, nicht aber Erkenntnis generiert.

Als Berufsschullehrkraft beobachte ich, wie viele junge Menschen nach Abschluss allgemeinbildender Schulen zu uns kommen – und dabei keine Ahnung haben, was Lernen eigentlich ist. Klassische Lernmethoden sind ihnen fremd. Sie verfügen nicht über das metakognitive Repertoire, um bewusst und effizient Wissen zu festigen und zu vernetzen.

Aus einer grundsätzlichen Perspektive ist Lernen mehr als reines Auswendiglernen: Es führt zu einer echten Veränderung im Denken, bei der wir Neues mit unserem vorhandenen Wissen verknüpfen. Das heißt: Wir hinterfragen Zusammenhänge, verstehen sie wirklich und setzen das Gelernte dann in neuen Situationen um.

KI-Anwendungen wie ChatGPT verstärken diese oberflächliche Abarbeitungsmentalität, da sie fertige Antworten liefern, ohne dass der Lernende den semantischen Kern der Aufgabe selbst durchdringt. So entsteht eine Illusion von Verständnis, die im Kern ein leeres Abbild komplexen Wissens ist.

Der Ausweg liegt im metakognitiven Perspektivwechsel: Lernende müssen wieder erfahren, dass Wissen nicht konsumiert, sondern aktiv entfaltet wird. Methodentraining, Selbstevaluation und gestaltete Lernumgebungen, in denen Fragen und Scheitern Teil des Prozesses sind, öffnen den Raum für echten Erkenntnisgewinn. Nur so kann Lernen jenseits mechanischer Abarbeitung zur lebendigen Reise und zum integralen Bestandteil des selbstbewussten Handelns werden.

Historische Wurzeln des Output-Systems

Passend zu diesem Thema ist der Artikel von Bent Freiwald von den Krautreportern: „Der klassische Schulunterricht ist gescheitert“Er zeigt, wo der Ursprung und der grundlegende Fehler liegen:

Freiwald erinnert daran, dass mit der Industrialisierung ein Output-System entstand, das standardisierte Arbeitskräfte schriftlich prüft. Frontalunterricht und feste Prüfzyklen wurden eingeführt – nicht, weil sie optimal für echtes Verstehen sind, sondern weil sie sich wirtschaftlich rentieren.

„Am Ende von Bruchrechnung wird eine Klassenarbeit geschrieben. Dann schauen wir uns den Notenspiegel an und erkennen: Ein Drittel der Schüler:innen kann Bruchrechnung noch nicht! Was machen wir also? Geometrie.“

Dieses Vorgehen, möglichst schnell zum nächsten Thema zu springen, kennzeichnet das klassische Schulmodell bis heute: Erfolg wird an abgegebenen Ergebnissen gemessen, nicht am tatsächlichen Verständnis. In vielen Schulen erwartet man, dass Lernende nach einem kurzen Input sofort in standardisierten Tests demonstrieren, was sie behalten haben. Der gesellschaftliche Konsens dahinter ist tief verankert – Notenlisten und Zeugnisnoten gelten als Gradmesser von Leistung und sind fest in unserem Schul- und Berufsleben verankert.

Wer eine „gute Note“ erzielt, gilt in der breiten Öffentlichkeit als fleißig und kompetent, unabhängig davon, ob wirklich tragfähiges Wissen und tieferes Verständnis vorhanden sind. Lernende passen sich diesem Erfolgsverständnis an und entwickeln eine Vor-der-Prüfung-Lern-Kultur, in der Inhalte nur so weit bearbeitet werden, bis sie für den Test ausreichen. Danach verliert das Gelernte oft schnell an Bedeutung, weil es keine Möglichkeit gibt, es praktisch anzuwenden oder kritisch zu reflektieren.

Freiwald kritisiert, dass das System selbstverstärkend wirkt und tiefergehende Lernlücken ignoriert. Eine wirkliche Reform muss daher dort ansetzen, wo Verständnis vor Abgabe tritt – und Prüfungen als Chance zur Reflexion genutzt werden. Dies möchte ich unterstützen. Das oberflächliche Abarbeiten von Aufgaben, die aus einem allgemeinen Schulbuch stammen, wird stillschweigend akzeptiert. Diese Art der Wissensvermittlung ist oftmals bei bei den in unserem Land vorherrschenden strukturellen Voraussetzung, vor welchen sich Schule und Bildung gegenüber sehen, die einzige Möglichkeit, eine Klasse auf standardisierte Prüfungen als große nicht individualisierte Gruppe vorzubereiten.

Was die kognitive Forschung heute weiß

Nach den neuesten Erkenntnisse aus der kognitiven Lernforschung erfolgt Lernen als aktiver, zielgerichteter und vernetzter Prozess. Die aktuelle Kognitionsforschung hat in den letzten Jahren mehrere Schlüsselprinzipien für erfolgreiches Lernen identifiziert, die auch zunehmend in digitalen und schulischen Kontexten Anwendung finden:

1. Aktive Informationsverarbeitung

Lernen ist mehr als bloße Wissensaufnahme: Der Lernprozess erfordert, dass Lernende neue Informationen aktiv mit Vorwissen verknüpfen, ordnen und hinterfragen. Aktive Auseinandersetzung mit Inhalten – durch Fragen, Erklären, Problemlösen – fördert tiefes und nachhaltiges Lernen.

2. Bedeutung von Aufmerksamkeit und Bedeutung

Aufmerksamkeit ist nach kognitiven Erkenntnissen der Flaschenhals des Lernens: Lernende können nur wenige Informationen gleichzeitig aufnehmen. Besonders leichter fällt das Lernen, wenn die Inhalte persönlich bedeutsam sind oder einen konkreten Bezug zur Lebenswelt haben – sogenannte elaborative Kodierung unterstützt das Erinnern stark.

3. Effiziente Lernstrategien: Spacing, Interleaving, Retrieval

Die Forschung empfiehlt klar erprobte kognitive Strategien:

  • Spaced Practice (Verteiltes Lernen): Lerninhalte über Tage oder Wochen verteilt wiederholen, um die Speicherung im Langzeitgedächtnis zu verbessern.

  • Interleaving: Verschiedene Themen oder Aufgabentypen im Wechsel bearbeiten, statt monotones Üben eines Typs.

  • Retrieval Practice (Abrufübung): Aktives Wiederabrufen von Wissen aus dem Gedächtnis – etwa durch Tests, Erklärungen oder Karteikarten – stärkt dauerhaft die Erinnerungsleistung.

4. Konnektivismus und situiertes Lernen

Modernes Lernen wird als Netzwerkprozess verstanden: Wissen entsteht in sozialen, digitalen und individuellen Netzwerken und wird oft bedarfsgerecht (“on demand”) erworben, etwa über digitale Quellen, soziale Interaktionen oder künstliche Intelligenz. Kontext und Echtzeit-Anwendung sind entscheidend.

5. Selbststeuerung & Metakognition

Neueste kognitionspsychologische Erkenntnisse betonen die Rolle von Metakognition: Lernende, die ihre Lernprozesse selbst reflektieren, regulieren und anpassen, lernen nachhaltiger. Dazu zählen Zielsetzung, Planung, Selbstüberwachung und gezielte Strategiewechsel.

6. Rolle von Emotionen und sozialen Prozessen

Kognitive und emotionale Faktoren sind eng miteinander verwoben: Positive Emotionen, Motivation und soziale Eingebundenheit fördern das Lernen. Soziale Interaktion hilft, Wissen zu vertiefen und neue Perspektiven einzunehmen.

7. Digitale Tools, KI und individuelle Lernpfade

Digitale und KI-gestützte Methoden ermöglichen mittlerweile maßgeschneiderte Lernpfade, fördern individuelles Tempo und unterstützen aktives, adaptives Lernen. Jüngste Studien belegen, dass KI-Anwendungen wie ChatGPT gezielt Problemlösekompetenz, Verständnis und höhere Denkprozesse stärken können.

Zusammenfassung und Quellhinweis

Lernen nach den neuesten Erkenntnisse aus der kognitiven Lernforschung ist ein aktiver, reflexiver Prozess, der durch das gezielte Verknüpfen neuen Wissens mit Vorwissen, den Wechsel von Übungsmethoden, regelmäßigen Wissenstest und durch selbstgesteuerte Lernregulation besonders wirksam wird – unterstützt durch emotionale und soziale Prozesse sowie digitale Technologien.

Die Recherche und textliche Aufarbeitung dieses Absatzes erfolgte mit Hilfe der KI Perplexity und kann unter diesem Link samt aller seitens der KI herangezogenen Quellen eingesehen werden. 

Vom Lehren zum Lernen: Nele Hirschs Perspektive

Passend zu dem Artikel von Bent Freiwald hat Nele Hirsch zu etwa dem gleichen Zeitpunkt (Frühjahr 2025) eine Edumail #89 zu diesem Thema verfasst. Hierbei geht es ihr darum aufzuzeigen, dass in der Bildung vom Lernen und nicht vom Lehren auszugehen ist.

Lernen bedeutet für Nele Hirsch nicht das passive Aufnehmen von vermitteltem Wissen, sondern vielmehr einen aktiven, oft chaotischen Prozess, der auf Verbindungen und Selbstreflexion basiert. Hirsch fordert Schulen deshalb auf, umzudenken: Statt primär auf Lehren zu fokussieren, müsse das Lernen selbst im Mittelpunkt stehen.

Besonders im Kontext der KI-Technologie beobachtet Nele (wie in der Ausgangssituation für diesen Blogbeitrag von Ralf beschrieben), dass Aufgaben von Lernenden häufig nur noch oberflächlich abgearbeitet werden, ohne dahinterliegende echte Lernprozesse. KI verschärfe dieses Problem zusätzlich, indem sie zwar schnelle Lösungen liefert, den Lernenden jedoch zunehmend das eigenständige Denken und Problemlösen abnimmt. Um Lernen wieder in den Fokus zu rücken, schlägt Nele Hirsch in ihrer Edumail fünf zentrale Prinzipien vor:

  1. Lehrkräfte als Lernende:
    Für Nele beginnt Lernen immer mit der Haltung der Lehrkräfte. Pädagoginnen sollten demnach selbst aktive Lernende sein, insbesondere im Umgang mit neuen Technologien. Statt sich primär zu fragen, wie sie Schülerinnen etwas vermitteln könnten, sollten sie zunächst selbst neugierig erkunden, ausprobieren und anschließend diese lernende Haltung authentisch an die Schüler*innen weitergeben.
  2. Chaos und Mehrdeutigkeit zulassen:
    Echtes Lernen sei laut Nele komplex und nicht linear. Deshalb plädiert sie dafür, dass Schulen bewusst Chaos und Mehrdeutigkeit im Lernprozess zulassen und fördern sollten. Lernende müssten dabei unterstützt werden, mit Unsicherheiten und widersprüchlichen Situationen produktiv umzugehen, statt immer eindeutige Lösungen anzustreben.
  3. Reflexion und bewusste Abgrenzung von KI:
    Gerade weil KI-Technologie dazu führt, dass Lernende Aufgaben zunehmend automatisiert und oberflächlich erledigen, schlägt Nele bewusste Gegenmaßnahmen vor. Als Beispiele nennt sie etwa persönliche, sozial-interaktive Aufgaben oder bewusste Reflexionen, die der automatisierten KI-Nutzung entgegenwirken und Lernenden helfen, aktiv und selbstreflektiert zu bleiben.

  4. Experimentieren mit neuen Lernformaten:
    Nele sieht traditionelle Unterrichtsformen kritisch, da sie oft passives Verhalten begünstigen. Sie fordert Schulen daher auf, stärker mit neuen Lernformaten zu experimentieren, beispielsweise mobile Lernformen oder Peer-Learning, unterstützt durch KI-Technologie. Diese Formate können Lernende darin bestärken, ihre Lernprozesse eigenständig und selbstbestimmt zu gestalten.

  5. Technologie bewusst und aktiv einsetzen:
    Anstatt KI lediglich zur Erleichterung oder Vereinfachung von Aufgaben einzusetzen, sollte Technologie aktiv und bewusst genutzt werden, um echte Lernprozesse anzuregen. Lernende müssten befähigt werden, KI und digitale Technologien kritisch und gezielt als Lernhilfen einzusetzen, nicht jedoch, um das Denken vollständig auszulagern.

Zusammenfassend zeigen Neles Ansichten und Empfehlungen deutlich: Schulen können nur dann verhindern, dass Bildung zu einem bloßen Abarbeiten von Aufgaben wird und KI die Selbstständigkeit der Lernenden verdrängt, wenn sie das Lernen wieder als eigenverantwortlichen und bewussten Prozess in den Mittelpunkt stellen.

Fazit

Das Schulsystem in Deutschland ist in der Regel nur ein System, welches Lernen zur reinen Abarbeitung degradiert hat. Das Beispiel aus dem Podcast von Ralf Appelt und Marcel Spitau zeigt dies mit dem Schüler, der seine KI-generierten Aufgaben nicht erklären konnte, exemplarisch auf. Es ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Dahinter steckt ein viel tieferes Problem – eine Generation von Lernenden, die gar nicht mehr weiß, was echtes Verstehen bedeutet.

Das Perfide daran meiner Meinung nach daran ist, dass unser industriell geprägtes Bildungssystem diese oberflächliche Abarbeitungsmentalität jahrzehntelang gefördert hat. Wir haben Noten über Verständnis gestellt, Tempo über Tiefe, Output über echte Erkenntnis. Jetzt, wo KI diese Mechanismen ins Extreme treibt, wird plötzlich sichtbar, was schon lange schief läuft. Die KI entlarvt nur, dass viele unserer Aufgaben schon immer sinnentleert waren – hohle Rituale ohne substanziellen Lernzweck.

Was mich als Berufsschullehrkraft besonders frustriert: Ich sehe täglich junge Menschen, die nach Jahren in der Schule nicht die geringste Ahnung haben, wie man effektiv lernt. Sie können keine Zusammenhänge herstellen, nicht reflektieren, nicht metakognitiv arbeiten. Stattdessen suchen sie reflexartig nach dem schnellsten Weg zur vermeintlich richtigen Antwort.

Die Kognitionsforschung zeigt uns längst, wie Lernen wirklich funktioniert – aktiv, vernetzt, reflexiv. Aber solange wir weiter an unserem Output-System festhalten, werden diese Erkenntnisse verpuffen. Nele Hirschs Forderung, vom Lernen statt vom Lehren auszugehen, trifft den Kern: Wir müssen radikal umdenken.

KI könnte ein Katalysator für diese Veränderung sein, wenn wir sie richtig einsetzen. Nicht als Antwortmaschine, sondern als Werkzeug für tiefere Reflexion und echtes Verstehen. Aber dafür müssen Lehrende selbst wieder zu Lernenden werden und den Mut haben, das gewohnte System zu hinterfragen. Da müssen wir ran – bevor eine ganze Generation das Lernen verlernt hat.

Disskusionsanstoß

  • Wie schaffst du es, dass Schüler*innen wieder neugierig auf den Lernprozess werden, nicht nur auf das Ergebnis?
  • Welche Rolle spielt die emotionale Komponente beim Lernen in deinem Unterricht – und wie stärkst du sie?
  • An deiner Schule sollen KI-Einsatzszenarien entwickelt werden, die das Lernen nach den hier genannten Erkenntnissen der Kognitionsforschung umsetzen – mit Spacing, Retrieval Practice und echter metakognitiver Reflexion statt oberflächlichem Abarbeiten? Wir unterstützen euch gerne bei der Entwicklung und Erprobung solcher Konzepte, sprich uns gerne an!

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